Harn- und Stuhlinkontinenz betreffen in Deutschland rund neun (!) Millionen Menschen aller Altersgruppen. Die vielfältigen Gründe für diese weitverbreitete Folgeerkrankung reichen von physischen Veränderungen, Auswirkungen operativer Eingriffe bis hin zu Nachwirkungen einer Geburt. Jedoch ist Inkontinenz nach wie vor ein Tabuthema und viele Betroffene gehen aus Scham nicht zum Arzt. Dabei kann den Patienten in den meisten Fällen mit der passenden Therapie und den notwendigen Hilfsmitteln geholfen werden. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL Magazin hat sich für Sie umgehört und nachgehakt.
Eine Frage, die sich viele stellen, ist: Wann ist eigentlich jemand inkontinent? Die Antwort könnte lauten: sofort ab Geburt, denn jeder von uns kommt inkontinent zur Welt. Doch im Laufe der Zeit lernen wir, unsere Ausscheidungen bewusst zu kontrollieren. Als inkontinent bezeichnen wir also Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr ihren Harn oder Stuhl (ausreichend) kontrollieren können.
Wahrscheinlichkeit für Inkontinenz steigt mit dem Alter
Es gibt dabei zwei Arten von Inkontinenz: Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz. Bei einer Harninkontinenz können Sie den Urinfluss aus dem Körper nicht kontrollieren. Der Urin fließt also unbeabsichtigt aus der Blase. Bei einer Stuhlinkontinenz hingegen können Sie den Abgang von Winden, Schleim, flüssigem oder festem Stuhl nicht bewusst zurückhalten. Die Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung steigt mit dem Alter. Doch auch junge Menschen können schon betroffen sein, vor allem junge Frauen, die bereits ein Kind geboren haben. Die Harninkontinenz betrifft deutlich mehr Frauen als Männer. Bei der Stuhlinkontinenz sind junge Frauen vor allem bei den schwereren Formen häufiger betroffen, im Alter gleicht sich dies aber wieder aus.
Inkontinenz ist behandelbar!
Sowohl aus Scham als auch aus Unwissenheit ziehen sich Betroffene zurück, was zu Vereinsamung und seelischer Belastung führt. Woran kann das liegen? Aufgrund der Tabuisierung und dem daraus resultierenden Mangel an Informationen glauben viele Betroffene, dass Inkontinenz nicht behandelbar ist. Doch das stimmt nicht: Mit geeigneten Therapien und auf die jeweilige Inkontinenzform abgestimmten Hilfsmitteln lässt sich eine deutliche Verbesserung der Symptome und somit der Lebenssituation der Betroffenen erzielen. Für jede Form gibt es geeignete Therapien, moderne saugende und ableitende Inkontinenzprodukte, die bequem, unauffällig und sicher in allen Lebenslagen schützen, oder operative Verfahren. Jeder Betroffene sollte wegen einer Diagnose und einer eventuellen Verordnung von Inkontinenzprodukten zunächst zum Arzt gehen. Daneben unterstütze die care team-Experten in den Sanitätshäusern Patienten sowie Angehörige bei der Auswahl und in der Anleitung des passenden Hilfsmittels und beraten sie bei allen Fragen zum Leben mit Inkontinenz, um eine qualitative Versorgung zu gewährleisten.
Bei neurogenen Erkrankungen: Blase und Darm gemeinsam betrachten!
Bei Patienten mit neurogenen Erkrankungen sollte beispielsweise recht früh mit einem individuellen gemeinsamen Blasen- und Darmmanagement begonnen werden. Neurogen bedingte Störungen der Blasen- und Darmfunktion finden sich zumeist bei Patienten, die unter einer Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems leiden. Zu diesen Krankheitsbildern gehören vor allem Menschen mit einer Querschnittlähmung, Spina bifida oder auch Multipler Sklerose, aber auch viele andere. Bei der Blase kann es zu einer Harnentleerungsstörung mit riskanter Restharnbildung kommen sowie zu Harninkontinenz. Im Darm führen die Schädigungen des Nervensystems zu Störungen der Transport-, Entleerungs- oder Verschlussfunktion, mitunter auch in Kombination. Damit Betroffene sich auch regelmäßig katheterisieren, gibt es für fast jedes Bedürfnis und für jede Situation den richtigen Katheter: vom Einmalkatheter in Standardlänge über Kompaktkatheter für Männer und Frauen bis hin zum Katheter-Set mit integriertem Beutel.
Transanale Irrigation verschafft dauerhaft Erleichterung
Auch in Hinblick auf den Darm gilt es, Funktionsstörungen frühzeitig auszumachen und zu reagieren, bevor ernsthafte Probleme auftauchen. Bei manchen Patienten helfen schon Veränderungen der Ess- und Trinkgewohnheiten, um eine geregelte Darmentleerung zu unterstützen. Auch mangelnde Bewegung, Stress, ein unregelmäßiger Tagesablauf oder bestimmte Medikamente können die Darmfunktion beeinträchtigen. Wenn Ernährungs- und Verhaltensumstellung, orale Therapien und rektale Maßnahmen nicht (mehr) ausreichen, kann eine transanale Irrigation (der Darm wird durch Instillieren von Wasser über einen Rektalkatheter in den Dickdarm entleert) vielen Betroffenen dauerhaft Erleichterung verschaffen. Regelmäßig angewandt verhindert diese Methode Verstopfung und ungewollten Stuhlverlust. Der Patient erlangt die Kontrolle über seinen Darm zurück und ist dadurch wieder deutlich unabhängiger und unbeschwerter in seiner Lebensgestaltung.
Da die regelmäßige Darmentleerung mittels transanaler Irrigation Stuhlinkontinenzphasen verhindert, minimiert sie somit auch das Risiko von Harnwegsinfekten.
Anspruch gegenüber der Krankenkasse
Inkontinenz ist eine von der WHO anerkannte Krankheit und kann als Folge von verschiedenen Grunderkrankungen auftreten. Damit fällt sie in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Wenn Sie betroffen sind, haben Sie also einen Anspruch gegenüber Ihrer Krankenkasse auf eine aufzahlungsfreie, individuelle und medizinisch notwendige Versorgung mit Inkontinenzhilfen sowie auf die zugehörige Dienstleistung. Wichtig für eine reibungslose Kostenübernahme der Krankenkasse ist, dass auf Ihrem Rezept ein Hinweis auf den Versorgungsgrund, die genaue Größe, Stückzahl und der Versorgungszeitraum angegeben werden.
Text: Christian Sujata. Der Text ist erstmals im SANITÄTSHAUS AKTUELL Magazin – Ausgabe 3/2019 erschienen.