Bei chronischen Wunden lassen sich alle drei Phasen der Wundheilung parallel in unterschiedlicher Ausprägung finden. „Kaum verwunderlich also, dass der Körper viel Energie benötigt, die über energetisch ausreichende Nahrung zugeführt werden muss“, betont Dr. Thomas Eberlein, Dermatologe, Venerologe und Allergologe von der Deutschen Wundakademie DWA. Geachtet werden sollte daher vor allem auf eine ausreichende Versorgung mit Energie, Protein und Flüssigkeit sowie auf eine Optimierung der Vitamine und Spurenelemente.
Mangelernährung feststellen und therapieren
„Eine Mangelernährung von Wundpatienten lässt sich gut therapieren. Voraussetzung dafür ist allerdings deren Aufdeckung mittels eines Ernährungsscreenings zu Beginn jeder Therapie“, so der Experte. Im Anschluss können Maßnahmen, wie eine Ernährungstherapie oder eine enterale Ernährungsform, greifen. Gerade bei multimorbiden bzw. gebrechlichen betagten Patienten dient die Therapie der Verbesserung bzw. Aufrechterhaltung des Ernährungszustands. Dies wurde in der Weiterentwicklung der ESPEN Leitlinie „Enterale Ernährung in der Geriatrie“ von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) im Rahmen des Leitlinienprojektes „Klinische Ernährung in der Geriatrie“ in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG festgelegt.
Handlungsalgorithmen noch besser an Praxisalltag angepasst
In der täglichen Praxis wurden den Behandlern bisher nur wenige Hilfsmittel an die Hand gegeben, mit denen eine Mangelernährung erkannt und behandelt werden kann. Bei den bisher erhältlichen Empfehlungen handelt es sich um eher allgemein gefasste Informationen zur Ernährung von Menschen mit chronischen Wunden oder zum Erkennen einer Mangelernährung. Mit der Entwicklung leicht anzuwendender Handlungsempfehlungen wurde die Ernährungssubstitution bereits in einem ersten Schritt systematisiert. Nun wurden diese Algorithmen ebenfalls weiterentwickelt und auf Grundlage der besten verfügbaren Evidenz ein praxisnaher Weg zur Abklärung, Unterstützung und Evaluation der Ernährung bei verschiedenen Wundentitäten dargelegt. Diese einfachen Handlungsempfehlungen weisen einen schnellen und gangbaren Weg von der Identifizierung einer Mangelernährung bis zur Behandlung. „Um eine individuell optimierte Therapie einleiten zu können, sollten demnach sowohl der Ernährungsstatus beurteilt, allgemeine Risikofaktoren gewürdigt, Alter und wundspezifische Gegebenheiten der Wundgröße und -tiefe berücksichtigt, als auch die Exsudationsmenge und das Vorliegen einer Wundinfektion beachtet werden“, erklärte Dr. Eberlein. Patienten mit Wunden unterschiedlicher Genese, wie z.B. Ulcus cruris venosum, diabetisches Fußsyndrom und Dekubitus, können so unter besonderer Berücksichtigung der Ernährungssituation effektiv versorgt werden.
„Algorithmen finden seit langem Anwendung in der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Hier wird besonderes Augenmerk auf die Diagnostik sowie die Lokal- und Kausaltherapie gelegt. Mit den weiterentwickelten Algorithmen für die Ernährungstherapie wurde ein wichtiger Schritt unternommen, um eine drohende Mangelernährung schnell und einfach erkennen und behandeln zu können“, stellt Björn Jäger, Pflegetherapeut und Vorstandsmitglied der ICW e.V., fest. Bisher wurde der Ernährungstherapie im Gesamtkonzept der Wundversorgung eine eher untergeordnete Rolle beigemessen. Mit der Anwendung der Algorithmen kann sich das ändern, denn nur ein gut ernährter Körper ist in der Lage, Wunden zur Abheilung zu bringen.
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